Geschichte

Aus der Geschichte der Kirchgemeinde Bäretswil

Anfänge im Frühmittelalter

741 wird das Dorf Berofovilare in einer Vergabungsurkunde erstmals erwähnt: Die alemannische Adelige Beata überschreibt Grundstücke ihrem Kloster auf der Lützelau, vermutlich um sie vor fränkischem Zugriff zu schützen. Der Name deutet auf einen Siedler namens Berolf (Bärwolf). 745 wird dem Kloster St. Gallen hiesiger Grundbesitz, z.B. im Gebiet der Mühle, des Greifenbergs, im Neuthal und in Adetswil geschenkt.
Schon um 750 könnte in Bäretswil die erste Kirche erbaut worden sein (Standort nicht gesichert). Diese erste Kirche war dem Hl. Dionysius geweiht, dessen Verehrung in jener Zeit von fränkischen Königen gefördert wurde.

Weitläufige Pfarrei

Im Früh- und Hochmittelalter gab es weitere Kirchen auf dem heutigen Gemeindegebiet: im Chilebüel unterhalb des Rosinlis, in der Gross-Chappelen oberhalb von Wappenswil und in Kleinbäretswil.

Im 13. Jahrhundert zieht die Bäretswiler Kirche die Einnahmen dieser anderen Kirchen an sich – die Kirchgemeinde entsteht. Sie umfasst auch den oberen Gemeindeteil von Bauma bis hinauf zum Hörnli (Bau der Kirche Bauma erst 1651). Die Gemeinde gehört zum Bistum Konstanz.
In dieser Zeit steht die erste Kirche am heutigen Standort; der untere Teil des Turms mit der Sakristei dürfte aus dem 13. Jahrhundert stammen. 1504 wird die zweite Kirche errichtet (bis 1825).

Um 1300 beschliessen zwölf fromme Frauen, sich zu einem keuschen und gemeinschaftlichen Leben in den Wald ob Wappenswil zurückzuziehen. Heute erinnert das Frauenbrünneli an den Ort, wo die Frauen des Schwesternhauses ihr Wasser holten.

"Gesägnet und rych"

Ein Zehntenbuch von 1275 weist Bäretswil als eine der ertragreicheren Pfarreien der Ostschweiz aus. 1467 hat das Dorf mit Adetswil, den Aussenwachten und den Tösstaler Höfen 280 Einwohner (Wetzikon 260, Hinwil 233, Gossau 293, Wald 446).

Auch das Pfrundbuch von 1541 deutet an, dass die weitläufige und relativ stark bevölkerte Pfarrei für den Patronatsherrn, der die Zehnten einzog, eine gute Pfründe war. (Ab 1580 mussten auch die Hittnauer ihren Zehnten nach Bäretswil entrichten.) 1634 hat Bäretswil nach Wald im Oberland am meisten Einwohner. Bei der Bildung der Gemeinde Bauma 1651 heisst es, das Kirchengut "zu Bärotschwyl" sei "gottlob gesägnet und rych".

Reformation und Täuferverfolgung

Bäretswil, erst nach 1400 zum Amt Grüningen und damit zu Zürich gekommen, wird 1525 infolge der Reformation Zwinglis reformiert. Doch die neue Lehre erhält Konkurrenz. Im Jahr des Bauernkriegs in Deutschland laufen am Pfingstmontag 4000 unzufriedene Bauern in Töss zusammen; doch es kommt nicht zum Aufstand der Untertanen gegen die Stadt. Im Amt Grüningen sympathisieren mehrere Pfarrer mit den Täufern.

Am 2. Juli predigt der Täuferführer Conrad Grebel in der Kirche Bäretswil. Der in Zollikon verheiratete Bäretswiler Marx Bosshart, Bruder des Gerichtsherrn von Greifenberg, hat ihn hergeführt. Die Zürcher Täufer, ursprünglich Freunde Zwinglis, ziehen aus der Bibellektüre umstürzende Folgerungen – für die Obrigkeit Gefahr!

Der Stadtstaat und seine neue Kirche bemühen sich in der Folge nach Kräften, das "Unkraut der Täuferei" (so der Bäretswiler Pfr. Wagner) auszureissen. Im Januar 1527 wird Felix Manz, der sich einmal drei Wochen im Girenbad versteckt hat, in der Limmat ertränkt. Viele Täufer werden ausgewiesen, ihr Hab und Gut beschlagnahmt.

Die verfolgten Täufer der Region, die sich namentlich im Raum Hinwil-Gossau versammeln, verstecken sich auch in der Holensteinhöhle oberhalb Wappenswil. In dieser "Täuferhöhle" findet man später u.a. Gabeln, Löffel, Fingerhüte und verarbeitetes Holz.

Verschiedene Familien im Dorf halten an täuferischen Lehren fest. Noch 1651, beim Bau der Kirche Bauma, wird eingestanden, dass den Täufern "in diesen Gebirgen und Thäleren... schwerlich byzukommen war".

Katastrophen, Wachstum und Strukturwandel

1629 wird Bäretswil von der Pest heimgesucht. Innert dreier Monate sterben 750 von 1244 Einwohnern. Ganze Gehöfte verwaisen. Neuzuzüger, unter ihnen die Sigristenfamilie Walder, beleben die Gemeinde neu.

Bäretswil ist kein kompaktes Dorf; die Streusiedlung begünstigt die Zuwanderung vieler Armer. Im 18. Jahrhundert verdoppelt sich die Bevölkerung; Spinnen wird der wichtigste Broterwerb in den Flarzhäusern. In Bettswil ernähren sich um 1770 86% der Einwohner von der Heimarbeit.

Schon um 1480 dürfte es in Bäretswil eine Schule gegeben haben: Ein gebürtiger Stössel wird als "Schuler" bezeichnet. Aus den Steinen der konfiszierten Schmiede des täuferisch gesinnten Hess baut die Kirche um 1650 das erste Dorfschulhaus. Nach 1700 werden weitere Schulhäuser errichtet; die sieben Schulwachten entstehen. Das Kirchengut ist imstande, den Grundlohn des Dorflehrers zu zahlen.
Nach 1750 nimmt die Zahl der Armen zu. 1798 sind die Kassen des Kirchenguts leer. Der Ernteausfall von 1816 trifft die Heimarbeiter von Bäretswil, Bauma, Sternenberg und Fischenthal am härtesten. Der Brotpreis verdoppelt sich. Die Gemeinde erhält aus der am 26. Januar 1817 kantonsweit gesammelten Liebeskollekte 2000 Gulden. Der Stillstand (frühere Bezeichnung der Kirchenpflege) kauft Reis, Kernen, Hafer, Roggen und Erdäpfelsamen. In der Gemeinde leben 633 Armengenössige und 449 Arme.

Die Einführung der Spinnmaschine (um 1800) und erst recht der mechanischen Webmaschine (um 1840) entzieht den Heimarbeitern die Existenz; die Abwanderung in Industriegebiete setzt ein. Der Zorn auf die Industrie entlädt sich gewaltsam: Die Textilfabrik in Oberuster wird am 22. November 1832 in Brand gesetzt. Unter den 73 Tatverdächtigen, die gefesselt nach Zürich geführt werden, sind 46 Bäretswiler.

Pfr. Waser und die Kirche von 1827

In dieser unruhigen Zeit baut Pfr. Hans Rudolf Waser die heute bestehende Kirche. 1790 im Pfarrhaus geboren, ist er 1817 an die Stelle seines Vaters getreten. Als Pfarrer amtet er 52 Jahre in Bäretswil – der ungekrönte König der Gemeinde. Er bewältigt ein gewaltiges Pensum, visitiert die Schulen, führt allen Widerständen zum Trotz (Kinderarbeit!) die Sekundarschule ein und stösst die Gründung des Männerchors an. Im Hungerjahr 1817 lässt er über 50'000 Portionen Suppe ausschenken.

Die Pläne für die Querkirche im klassizistischen Stil, im Inneren 100 Fuss lang, stammen vom bayerischen Stukkateur Gotthard Geissenhof. Waser setzt angesichts der alten, baufälligen Kirche den Beschluss zum Neubau durch und beginnt ohne Geld zu bauen. Die Kirche wird 1825-27 grossenteils durch Frondienst der Gemeindeglieder errichtet: 907 Gemeindebürger und Ansässen leisten fast 19'000 Frontage, indem sie Hand anlegen oder Material heranführen.
Waser managt den Bau selbst bis in kleinste Details (er zählt 60'341 eiserne Nägel!) und schliesst durch die Versteigerung begehrter Stühle mit schwarzen Zahlen ab! Das Geld reicht sogar zu einem neuen Geläute, und mit übriggebliebenem Baumaterial baut der Pfarrer 1827 auch noch den Ochsen, mit Sitzungszimmer für den Stillstand und einem Schlachtlokal. Das Gotteshaus ist mit über 1600 Plätzen die zweitgrösste Landkirche des Kantons (Bäretswil zählt damals noch 3500 Seelen).

1918 erhält die Kirche ihre erste Orgel. Sie muss bereits 1954 durch eine neue ersetzt werden, wobei die nördliche Empore geopfert wird –unter Protest der kantonalen Denkmalpflege. Grosse Renovationen erlebt die Kirche 1927 sowie 1968/69, als der Taufstein entfernt wird.

Andere Kirchen und Gemeinschaften in Bäretswil

Mit der Unterdrückung der Täufer, die gegen 1700 aussterben, wird die rechte reformierte Lehre durchgesetzt. Doch im Obis bei Bettswil entsteht 1835 die erste Neu-Täufer-Gemeinde des Oberlands.

Evangelisten der Herrnhuter Brüdergemeine finden im 19. Jahrhundert vor allem im Tösstal dankbare Zuhörer – sie werden regelmässig ausgewiesen. Gegen Ende des Jahrhunderts halten Chrischona-Brüder Bibelstunden. In der Brunau wird ein Haus mit Versammlungslokal errichtet.

Die Methodisten haben vor 100 Jahren als Pioniere der Sonntagschularbeit gewirkt; 1923 bauen sie am Dorfrand die Friedenskirche. 1943 wird im Aemet zwischen Bäretswil und Adetswil die erste katholische Kirche der Neuzeit erbaut; ihr folgt 1991 die moderne Backsteinkirche.

Diese Uebersicht, zusammengestellt von Peter Schmid, verdankt sich dem von Pfr. Dr. Armin Sierszyn gesammelten Material (vgl. seine Bücher: 1250 Jahre Bäretswil, 1991, und: Unser Bäretswil, 1983).

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